Tibor-Ehlers-
Medaille

 


Bei der Beschäftigung mit historischen Instrumenten der traditionellen Volksmusik stößt man immer wieder auf einen Namen:

Tibor Ehlers (1917-2001). Der Altmeister des historischen Instrumentenbaus wurde in Zips in der Slowakei geboren, wuchs in Bratislava (Pressburg) auf und wurde Lehrer. Im Schuldienst arbeitete er auch musikalisch mit seinen Schülern. Er kam in den 1940er Jahren nach Süddeutschland, zunächst nach Bayern, wo er als Sägewerksarbeiter den Werkstoff Holz kennen lernte. Anschließend war er Holzschnitzer für kunstgewerbliche Artikel im Hohenloher Land, bis er in Hockenheim eine Töpferlehre machte und eine Töpfermeisterin heiratete. 1952-1962 war er Lehrer an der Volksschule in Buchenberg im Schwarzwald.

Aus reinem Vergnügen baute er alte Musikinstrumente nach, die er oft nur aus Beschreibungen kannte. Selbstverständlich konnte er sie alle auch spielen und stimmen! Seine Technik gab er in Kursen weiter, bei denen er Kontakte zu Fachleuten und namhaften Musikprofessoren knüpfte. 1962 wurde er Dozent für musische Fächer an der Sozialpädagogischen Schule in Freiburg, 1976-1978 an der Staatlichen Lehrerausbildung in Gengenbach. Nach seiner frühen Pensionierung mit 61 Jahren ließ er sich in Betzweiler-Wälde nieder, tüftelte weiter an seinen Instrumenten und hielt Kurse ab. Tibor Ehlers war nicht im Instrumentenbau ausgebildet, sondern entwickelte seine eigenen Techniken und Technologien.

Gewissermaßen als "Naturtalent" lag ihm das Skizzenhafte und das Aufspüren alter Techniken besonders gut. Außerdem leitete ihn sein starkes Interesse an der traditionellen Volksmusik und ihren Instrumenten. Und als guter Pädagoge wusste er, wie er seine Erkenntnisse optimal an andere weitervermitteln konnte.

Eines seiner Lieblingsinstrumente war die Gambe, die er ohne Vorbild nach einer Beschreibung baute: "Die Gamben haben sich aus den Lauten entwickelt, indem man die Lauten streichfähig gemacht hat." Seine erste Gambe ähnelte deshalb noch stark einer Laute; die Bau- und Spieltechnik entwickelte er immer weiter. Inzwischen ist die Gambe eines der wiederentdeckten historischen Instrumente in Europa.

 

Seinen ersten tschechischen Dudelsack ("Böhmischer Bock") fertigte er, ohne dass er ihn in natura gesehen hat. Allein der Klang des Instruments, das er auf Schallplatten hörte, faszinierte ihn so, dass er ihn bauen musste! Er sagte über seinen Weg: "Allerdings haben wir damals die böhmischen Dudelsäcke mit dem Mund geblasen; ich habe mir gedacht, das mit dem Blasebalg und mit dem Umschnallen ist so umständlich, und ein Dudelsack sollte was Spontanes sein: in den Mund stecken, aufblasen, und schon geht's los! Aber das hatte einen Haken. Wenn man fünf Minuten hineingeblasen hatte, wurde das Rohrblatt weich, der Ton wurde tiefer, und man musste den Dudelsack dauernd nachstimmen. Schließlich sind wir dann drauf gekommen, dass die Lösung für den böhmischen Dudelsack die Verwendung eines Blasebalges ist, wodurch das Einblasen feuchter Atemluft vermieden wird. Und seit dieser Zeit war das Stimmen kein Problem mehr."

Pionierarbeiten liebte Tibor Ehlers; so entstanden mit der Zeit Drehleiern und Volksharfen, Hirtenflöten und Klarinetten, die große Anerkennung in der Fachwelt fanden. Es reichte, wenn man ihm Fotos und Zeichnungen zeigte oder eine Beschreibung vorlegte - danach fertigte er seine Rekonstruktionen.

Tibor Ehlers wies als erster um 1970 auf die eigenständige schwäbische Dudelsacktradition hin. Er baute eine "schwäbisch-alemannische Sackpfeife" und lieferte dadurch grundlegende Denkanstöße zur Wiederbelebung der Sackpfeifen in Baden-Württemberg bzw. Süddeutschland. Seine Bausätze zur Herstellung von "böhmischen Böcken" und "schwäbisch-alemannischen Sackpfeifen" sorgten für eine Wiederbelebung dieser wichtigen Volksinstrumente.

Die Sackpfeifen, die in den Volksmusikgruppen im Schwäbischen Albverein gespielt werden, gehen auf seinen Prototyp zurück.

Der Kulturrat des Schwäbischen Albvereins ehrt mit der Tibor-Ehlers-Medaille Musiker, Musikgruppen und Instrumentenbauer, die sich in herausragender Weise für die Wiederentdeckung und Wiederbelebung unserer eigenen traditionellen Volksmusik, sowie die handwerkliche Fertigung von historischen Volksinstrumenten einsetzen.

Bisherige Preisträger der Tibor-Ehlers-Medaille: Georg Balling und Herbert Grünwald (2003), Ernst Eugen Schmidt (2006), Berthold Büchele (2009), Eckhard Böhringer (2012), Dorle und Joachim Schmieg (2020).
   
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