Haus der Volkskunst - Büttel

Die Kurt-Wager-Medaille

Der Stuttgarter Kurt Wager (1911-1979) besuchte im Alter von 21 Jahren seinen ersten Volkstanzlehrgang. Volkstanz wurde das Lebensthema des gelernten Werkzeug-machers; 1933 war er der jüngste Dozent an der Stuttgarter Volkshochschule im Fach Volkstanz. Damals arbeitete er bei Daimler-Benz, zunächst in Untertürkheim, später in Berlin-Marienfelde. Dort lernte er in einer Volkstumsgruppe seine spätere Frau Elli kennen, die sich mit derselben Begeisterung dem Volkstanz widmete.

Volkstanz war für Kurt Wager untrennbar mit Heimatpflege, Volkslied, Spiel und Trachten verbunden. Gerade auch junge Leute wusste er zu begeistern mit seiner Fähigkeit, das Brauchtum weiterzugeben, das Generationen vorgelebt hatten. Er konnte motivieren und Zusammenhänge zwischen Bräuchen, Tänzen und Liedern aufzeigen. Sein Weg und sein Kampf für einen reinen Volkstanz, der nicht nur zur Schau, sondern zur Gemeinschafts- und Persönlichkeitsbildung junger Menschen dienen sollte, hat ihn zu dieser im Inneren brennenden Persönlichkeit werden lassen, die nach außen leuchtete, an der sich viele wärmen, einige aber auch die Finger verbrennen konnten.

Seine Lehrgänge waren keineswegs nur dem Tanz gewidmet, sondern vielmehr der Persönlichkeitsfindung, dem gesitteten Umgang miteinander. Jeder, der auf einen Lehrgang Kurt Wagers ging, wusste, dass er ein strenger Lehrmeister sein würde. Viele kamen jedoch gerne wieder.

1947 gründete er den "Stuttgarter Spielkreis", der lange Jahre die Basis seines Wirkens war. 1949 wurde Kurt Wager vom Kultusministerium Baden-Württemberg beauftragt, eine Volkstanzberatungsstelle ins Leben zu rufen, die bis heute besteht und seit 2002 vom Schwäbischen Kulturarchiv im Schwäbischen Albverein weitergeführt wird. Als erste Frucht seiner Arbeit entstand in diesen Jahren das "Volkstanzheft", das als "Grundheft" bezeichnet wurde und auf dem die Volkstanzarbeit gemeinhin aufbaute. Nach und nach erschienen auch Musiksätze zu diesem Heft.

Seine weitgespannte Arbeit und sein großer Idealismus halfen viele Volkstanzgruppen im Schwäbischen Albverein zu gründen. 1952 rief er die Arbeitsgemeinschaft der Sing-, Tanz- und Spielkreise in Baden-Württemberg e. V. ins Leben. Nach anfänglichen fünf Mitgliedsgruppen zählt die AG inzwischen weit über 70 Gruppen und mehrere hundert Einzelmitglieder. Als Vorsitzender, späterer Ehrenvorsitzender und Träger des goldenen Spielkreiszeichens hat er auch hier Geschichte geschrieben.

Auch im Ausland wurde Wager bekannt durch viele Fahrten mit dem Stuttgarter Spielkreis. Der Wert des Volkstanzes als Ebene der internationalen Begegnung und Instrument der Friedensbewahrung war eine wichtige Säule der Jugend- und Erwachsenenbildung, wie Kurt Wager sie betrieb.

1963 war er Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft für Heimat- und Volkstumspflege in Baden-Württemberg und deren hauptamtlicher Geschäftsführer. Auf seine Initiative wurden die "Heimattage Baden-Württemberg" ab 1978 zur festen Einrichtung. Soweit es ihm möglich war, hat er neben den vielen tänzerischen Aktivitäten und Verpflichtungen die Forschung nicht vernachlässigt. Vorhandene Quellen arbeitete er auf und schuf neue Aufzeichnungen. In der Volkstanzberatungsstelle machte er Musiksätze sowie Beschreibungen verfügbar.

Außerdem baute Kurt Wager über die Jahre ein umfangreiches Volkstanz-Archiv auf, das eine unglaubliche Fülle an Fachliteratur und Zeitschriften, aber auch Dokumenten wie Seminarplänen, Lehrgangsskripte usw. beinhaltet. Das Kurt-Wager-Volkstanz-archiv ging 2009 an den Schwäbischen Albverein und wird mit dem Schwäbischen Kulturarchiv und der Volkstanzberatungsstelle zusammengeführt.

Preisträger der Kurt-Wager-Medaille

Mit der "Kurt-Wager-Medaille für besondere Verdienste um den Volkstanz" werden Menschen geehrt, die sich um den Volkstanz verdienthorak gemacht haben, in der Pflege, in der Forschung und in der Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis.
1986

Karl Horak (1908 - 1992)

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Umrahmt von einem Festgottesdienst, der Aufführung des Überlinger Schwerttanzes und dem Überlinger Volkstanzfest wurde am 6. Januar 1986 der erste Medaillenträger Karl Horak mit der »Kurt-Wager-Medaille für besondere Verdienste um den Volkstanz« ausgezeichnet.
Unstreitbar war Professor Karl Horak einer der bedeutendsten Volkstanzforscher schlechthin. Aber auch der Volksmusik, dem Volkslied und dem Volksschauspiel gegenüber war er immer forschend tätig gewesen. Von vielen Seiten waren ihm zahlreiche Ehrungen zuteil geworden. Die Ehrung mit der Kurt-Wager-Medaille war insofern etwas besonderes, als dass Karl Horak der allererste Volkstanzlehrer von Kurt Wager selbst gewesen war, seine ersten Schritte lernte Wager von ihm. Die Wege der beiden Männer kreuzten sich vielfach. Wager lernte nicht nur das Tanzen selbst von Horak, sondern in erster Linie erfuhr er durch intensive Kontakte mit Karl Horak wie Forschung und deren Ergebnisse erfolgreich in die Tanzpraxis umgesetzt werden konnten.
Mit seiner Frau Gretel arbeitete Horak auch in seiner Forschungsarbeit stets eng zusammen, so machten sie viele Reisen vor allem auch nach Osteuropa, um die dortigen Tänze und Bräuche zu erfassen und wissenschaftlich zu bearbeiten. Besonders am Herzen lag ihm offensichtlich die Kultur der Sprachinseln. Seine »Burgenländischen Volkstänze«, »Volkstänze aus Tirol«, »Volkstänze aus der schwäbischen Türkei« und »Volkstänze der Deutschen in Mittelpolen« (alle in der Bärenreiter-Reihe »Deutsche Volkstänze« von 1931-36 erschienen) sind auch heute noch richtungsweisend für den glücklichen Einsatz wissenschaftlicher Erkenntisse in der Volkstanzpflege. Neben diesen Sammlungen und verschiedenen Publikationen über Tiroler Volkstänze stehen seine kritischen und historisch-analytischen Studien über den » Volkstanz in der Umbgebung von Wien 1930« (1973), über den Volkstanz im kleinen Walsertal (1954), Über den Schuhplatter in Tirol (1961und 1980), über den Volkstanz im Burggrafenamt in Tirol (1963), über Ergebnisse aus dem Ötztal (1974), über die Darstellung des Tanzes im ADV (=Atlas der deutschen Volkskunde) (1982 und1984), sein umfangreicher Beitrag über Volkstanz in Oberösterreich und im Salzkammergut (1983), über die Zwiefachen (1984). Daneben sind aber Karl Horaks Veröffentlichungen und Aufsätze über Volkslieder, Volksschauspiele, Kinderspiele und-lieder noch zahlreicher – ein unermesslicher Schatz, der von ihm und seiner Frau Gretel entdeckt, erforscht, gesammelt und meist veröffentlicht worden ist.
In Deutschland hat Karl Horak in der »Deutschen Gesellschaft für Volkstanz« in der Kommission für Volkslied-, Volksmusik- und Volkstanzforschung« mitgearbeitet sowie in der »Kommission für ostdeutsche Volkskunde«, hat viele Beiträge im »Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde « und in der »Sänger- und Musikantenzeitung« gebracht. Karl Horak hat in seinem Werk zahlreiche Grundlagen für die Praktische Arbeit hinterlassen. Er verstarb am 23. März 1992 im Alter von 84 Jahren in seinem Österreichischen Wohnort in Schwaz in Tirol.
1988

Uli Stahl (geb. 1935)

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1988 erhielt Uli Stahl die Kurt-Wager-Medaille beim 100-jährigen Jubiläum des Schwäbischen Albvereins. Die erste Bekanntschaft mit dem Volkstanz machte Uli Stahl 1951, als er seine erste Volkstanzwoche in der Jugend- und Sportleiterschule in Ruit besuchte. Aus plötzlichem »Musikantenmangel« wurde Uli Stahl erstmals geradezudazu »verdonnert«, gemeinsam mit seinem Bruder Gerhard Stahl zu musizieren. Er hat‘s probiert – und nach kleinen Startschwierigkeiten hat‘s auch tadellos geklappt. Nach und nach übernahm Uli Stahl den Platz von Kurt Fehrle in der Kapelle Fehrle-Pfander. Alfred Pfander und er waren bald die gefragtesten Spielleute im Ländle und darüber hinaus. Er wurde bald schon für Kurt Wager bei Volkstanzfesten und Veranstaltungen aller Art unverzichtbar geworden zu seinem »Leib- und Hofmusikanten«, wie er ihn vorzustellen pflegte.
1968 kamen drei Musikanten aus dem Neuffener Musikverein hinzu, die bald zur Stammbesetzung gehörten: Mit Klarinette, Trompete, Posaune und Akkordeon war eine optimale Besetzung gefunden. Immer wieder fand Uli Stahl neue Musiker, die sich für seine Kapelle begeistern konnten. Heute sind Uli Stahl und seine Musikanten zu einem weltweit bekannten Begriff gewachsen. Er hat mit seiner Musik immer dem Tanz gedient, nicht umgekehrt. Nur so konnte die Einheit und Harmonie zwischen Musik und Tanz erst lebensfähig werden.
Bei Tanzleitern ist Uli Stahl nicht umsonst ein geliebter Musikant: Er macht die Zusammenarbeit einfach. Blicke genügen oft, um Uli Stahl wissen zu lassen, wie gespielt werden soll. Von der ersten bis zum letzten Takt in voller Konzentration, egal ob er das betreffende Stück nun zum ersten oder zum hundertsten Mal an ein und dem selben Abend spielen muss.
Heute umfassen Uli Stahls Notenhefte weit über 700 Tänze, darunter zahlreiche selbstgeschriebene Tanzstücke. Eine ganze Volkstanzgeschichte hat Uli Stahl in seinen Notenheften niedergeschrieben.
1990

Walter Kögler (1929 - 2007)

Am 6. Januar 1990 wurde der Verleger Walter Kögler mit der Kurt-Wager-Medaille ausgezeichnet, überreicht von Arnold Bökel, 2. Vorsitzender des DBT.
Seine erste Begegnung mit dem Volkstanz und gleichzeitig auch mit Kurt Wager selbst erfuhr Walter Kögler 1947 eher zufällig; er wurde von einer Klassenkameradin auf dem Weg zu einem Englischkurs zu einem Treffen des Stuttgarter Spielkreises »entführt«. Am Tanzen fand er gefallen und eignete sich nach und nach umfangreiche Kenntnisse an und leitete schon bald selbst Tanzkurse. Die Tanzmusik besaß für Walter Kögler jedoch eine besondere Faszination und Bedeutung. Es gab zwar Volkstanzmusiker, jedoch zu wenige, die wiederum sehr gefragt waren. Als er von Kurt Wager einmal ein paar der damals seltenen und nur rudimentär verfügbaren Schallplatten ausgeliehen hatte, passierte ein Unglück: ein kleiner Unfall mit dem Motorrad und die kostbaren Platten waren zu Bruch gegangen. Er setzte alles daran, die zerbrochenen Platten zu ersetzen und auf Umwegen schaffte er dies auch: Dies war der Beginn von Walter Köglers Verlagsgeschäft.
Der gelernte Elektrotechniker bastelte eigenhändig Plattenspieler und Tonbandgerät und machte mit diesen die ersten Aufnahmen von Volkstanzmusiken, um den Tanzgruppen die Probenabende zu erleichtern, denn nur selten war Live-Musik zu haben. Bald hatte Walter Kögler sich unter der Bezeichnung: »Elektrotechnik, Elektroakustik, Elektro-, Radio- und Tonbandgeräte« selbständig gemacht. So konnten auch Tonträger importiert werden. Das sehr große Interesse an diesen Tonträgern ermutigte ihn dann, das Geschäft professionell zu betreiben, und bald wurde aus dem Nebengeschäft das Hauptgeschäft.
Ein weiterer Ausbau des Schallplattengeschäfts, Lizenzpressungen, erstmalige Tanzbeschreibugen von Walter Kögler selbst auf den Plattenhüllen und der stufenlos regulierbare Plattenspieler ließen den inzwischen umbenannten Walter-Kögler-Verlag für die Szene unverzichtbar werden. Das Buch »Fachausdrücke zum Volkstanz«, herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem ATB (Arbeitskreis für Tanz im Bundesgebiet) wurde herausgebracht. Hier waren die verschiedenen Bezeichnungen von Bewegungsabläufen, Fassungen, Schritten und vielen anderen Ausdrücken auf jeweils eine Bezeichnung zurückgeführt und zusammengefasst worden. Neben dem Verlagsgeschäft war Walter Kögler stets sowohl lehrend als auch lernend in Sachen Volkstanz unterwegs, im Inland genauso wie im Ausland.
Das Engagement des Walter Kögler hat für den Volkstanz Welten bewegt: Das Üben für die Gruppe wäre ohne seine Platten um ein vielfaches schwieriger. Walter Kögler beseitigte die Hürde der oftmals fehlenden Live-Begleitung der Tänzer. Ohne seine Initiative wäre das Repertoire der meisten Volkstanzgruppen um ein vielfaches geringer, ja, oftmals wären die Gruppen gar nicht erst entstanden. Die Arbeit der Volkstänzer in Deutschland und auch der Verbände wäre erheblich schwerer gewesen.
1992

Tanzarchiv Leipzig

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Mit dem Tanzarchiv Leipzig erhielt am 2. Mai 1992 erstmals nicht eine Persönlichkeit, sondern eine Institution die Kurt-Wager-Medaille für besondere Verdienste um den Volkstanz. Vor allem die Pionierarbeit, die Dr. Kurt Petermann, der Gründer des Tanzarchives geleistet hat, verdient besondere Würdigung. Das von ihm 1957 am Institut für Volkskundeforschung in Leipzig gegründete deutsche Volkstanzarchiv entwickelte sich in den 60er Jahren zur zentralen Dokumentationsstelle für alle Gebiete der Tanzkunst und wurde 1975 als »Tanzarchiv« in der Akademie der Künste der DDR angegliedert. Unter seiner Leitung ist das Tanzarchiv zu einer Institution von internationaler Bedeutung geworden, mit der Fachleute aus allen europäischen Staaten und den USA regen Austausch pflegen. Das Tanzarchiv Leipzig ist nach Dr. Petermann »eine der wenigen Sammelstätten der Welt, das sich nicht nur dem Gesamtphänomen Tanz komplex zuwendet, sondern das von wertvollen choreologischen Werken und ihrer Interpretation durch eigene Filmaufnahmen authentische Aufführungsdokumentationen herstellt«. Wesentlich zu kämpfen hatte das Tanzarchiv Leipzig mit allen seinen Mitarbeitern vor allem unter den Devisenbeschaffungs- und Reisebeschränkungen zu DDR-Zeiten. Ohne die Phantasie und Energie eines Kurt Petermann und seiner Mitstreiter wäre das Tanzarchiv Leipzig unter den herrschenden Bedingungen aber sicherlich nicht zu dem geworden, was es heute ist. Trotz aller Beschränkungen konnten Kontakte zum Westen gepflegt werden.
Mit der lange ersehnten Wende kamen dann aber auch Schwierigkeiten auf das Tanzarchiv Leipzig zu. Es musste um den weiteren Fortbestand der Institution gebangt werden, denn vor allem auch kulturelle Einrichtungen mussten schwere finanzielle Kürzungen hinnehmen.
Zahlreiche Menschen haben aber ihre Energie in das Tanzarchiv Leipzig gesteckt und seinen Fortbestand gesichert. Besonders natürlich sind hier Dr. Kurt Petermann zu nennen und natürlich Monika Schneider, die das Lebenswerk Kurt Petermanns als Leiterin des Tanzarchivs Leipzig nach seinem Tod auch weiterhin fortbestehen ließ und bis vor kurzem die Geschäftsführerstelle innehatte.
Die Verleihung der Kurt-Wager-Medaille für Verdienste um den Volkstanz war in der Vergangenheit ein wichtiger Beitrag zum Erhalt des Tanzarchivs überhaupt. Inzwischen ist das Tanzarchiv ins Haus des Buches umgezogen. Die Leitung obliegt den beiden Hochschullehrerinnen Dr. Claudia Jeschke und Dr. Ilsedore Reinsberg. Am 1. April 2000 übernahm Dr. Janine Schulze die Geschäftsführung von Monika Schneider als diese in den Ruhestand ging.
2002

Reinhold Fink (1937 - 2008)

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Manfred Stingel, Vorsitzender des Kulturrates des Schwäbischen Albvereins, am 31. August 2002:

"Meine Damen und Herren, wir haben jetzt einen besonders schönen Programmpunkt.
Ich muß dazu einiges erklären. Einige von den hier Anwesenden werden sich noch an Kurt Wager erinnern. Er war ein großer Volkstanzlehrer, dem die Volkstanzbewegung in Baden Württemberg sehr viel verdankt.
Nach seinem Tod haben wir die Kurt Wager Medaille ins Leben gerufen. Die Kurt Wager Medaille ist eine sehr hohe Auszeichnung und wird nur alle paar Jahre an sehr verdiente Volkstanzschaffende verliehen. Bisher wurde die Kurt Wager Medaille 4 mal verliehen. 1986 an den Volkstanzforscher Professor Karl Horak, 1988 an unseren großen Musikanten Uli Stahl, 1990 an Walter Kögler dessen Tonträger alle brauchen und 1992 an das Deutsche Tanzarchiv in Leipzig.
Durch den Kauf der Volkstanzberatungsstelle ist die Kurt Wager Medaille nun in die Hände des Kulturrates des Schwäbischen Albvereines gelangt. Heute Abend, also nach 10 Jahren Pause wollen wir die Kurt Wager Medaille wieder vergeben. Noch ein paar Sätze zum Warum.
Der Schwäbische Albverein ist mit 120.000 Mitgliedern unser größter Heimatverein. Der Kulturrat will die kulturellen Arbeit in den 579 Ortsvereinen weiterentwickeln und damit auch ein bißchen der darbenden Heimatkultur weiterhelfen. Wenn man im Namen von 120.000 Mitgliedern eine Ehrung vergibt, so ist das schon etwas besonderes. Wir haben in diesem Jahr auf der Burg Teck für Verdienste um die Mundart die Sebastian Sailer Medaille an Helmut Pfisterer, den großen Schriftsteller und Mundartschaffenden übergeben.
Heute Abend wollen wir nun die Kurt Wager Medaille an einen ebenso verdienten Volkstänzer übergeben. Die Medaille wurde neu gestaltet, ist aus massivem Silber.
Was besonders schön ist, der Kulturrat des Schwäbische Albvereins übergibt mit der Kurt Wager Medaille auch einen deutlichen Geldbetrag. Der zu Ehrende hat neben seiner überregionalen Arbeit auch viele Jahre hier in Neckartailfingen gearbeitet.
Ich möchte deshalb Gerd Rieker bitten die Laudatio zu halten."

Gerd Rieker:

"Vor einiger Zeit wurde ich gebeten, heute Abend über einen Mann zureden, mit dem ich seit vielen Jahrzehnten freundschaftlich verbunden bin. Viele von Ihnen oder von euch könnten dies ebenso tun, denn Sie kennen ihn genau so lange, noch länger oder vielleicht sogar intensiver als ich. Deshalb freut es mich, dass gerade ich, jetzt, über Reinhold Fink reden darf. I derf sozusaga ganz offiziell übern schwätza.
Seine große Leidenschaft ist der Volkstanz. Nicht was in Schauproduktionen daraus gemacht wird, nein, dem traditionellen, überlieferten, aufgezeichneten Tanz aus vergangenen Epochen gehört seine ganze Aufmerksamkeit. Dazu gehört nicht nur die zeitliche Ausdehnung, sondern auch die inhaltliche Dimension. Ihn interessieren die bäuerlichen Tänze ebenso wie die Tanzformen der Stände und Zünfte, die Moderichtungen der höfischen, adeligen Gesellschaft gehören genauso dazu wie die Tänze des einfachen Volkes, die oftmals ein Abklatsch der vermeintlich Besseren, Höhergestellten waren. Reinhold Fink war immer schon der Auffassung: "Jede Zeit hat ihren Tanz und bestimmte Tänze gehören zu den entsprechenden Zeiterscheinungen". Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie er in den 60-Jahren zu mir sagte: "Irgend wann ist der Rock’n’Roll ein Volkstanz nach unserer Definition und die Nietenhose und der Pedicoat, die dazugehörige Tracht". Wie gesagt, dem Tanz hat sich Reinhold Fink verschrieben, jedoch war im immer klar, dass zu jeder Tanzform auch die Musik, die Lebensform, die Kleidung und die jeweiligen äußeren Umstände wie Verordnungen, Gebote und Verbote dazu gehören.
In unserer heutigen, sogenannten globalisierten Zeit, ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen sich an Folkloristischem ausrichten, dass sie Identität suchen, wie das früher nur bei Emigrantengruppen zu finden war. Reinhold Fink jedoch, hat sich zusammen und sicher auch beeinflusst von Kurt Wager schon in den 50-er Jahren mit dem Volkstanz befasst. In einer Zeit also, in der die meisten Deutschen, nach dem leider überstrapazierten und ausgenützten Deutschtums der Nationalsozialisten des dritten Reiches, nichts mehr damit zu tun haben wollten. Die Volkstänzerinnen und Volkstänzer dieser Zeit wurden oft als die ewig gestrigen dargestellt. Selbst ich habe dies, als ich Mitte der 60-er Jahre zum Volkstanz kam, erfahren. Auch die nach dem Kriege entstandenen Vertriebenenverbände wurden häufig in diese Ecke gestellt, obwohl die überwiegende Zahl der Mitglieder sich einfach ein Stück alte Heimat bewahren wollten.
Nun zu Reinhold Fink. Viele von Ihnen/von euch wären wahrscheinlich heute nicht hier, wenn er nicht gewesen wäre. Unzählige junge Mädchen und Burschen haben bei Reinhold das Volkstanzen gelernt, haben sich seinen Rat eingeholt, haben ihn um Hilfe gebeten, wenn mal wieder was schief lief oder haben sich gar zur qualifizierten Tanzleiterin oder zum Tanzleiter ausbilden lassen. Schon seit 1968 war Reinhold Fink Fachwart für Volkstanz in der Arbeitsgemeinschaft der Sing-, Tanz- und Spielkreise in Baden-Württemberg, kurz in der AG. Von Kurt Wager hat er auch für den Schwäbischen Albverein die Leitung der Volkstanzlehrgänge in dieser Zeit übernommen. Die Volkstanzwochen wurden durch ihn sozusagen zum "Renner". Selbst beim badischen Bund Heimat- und Volksleben hatte der Schwabe Reinhold Fink für den Bereich Volkstanz ein großes Gewicht, war zeitweise auch dort der Fachwart für Volkstanz und über viele Jahre der Tanzleiter und später sogar Vizepräsident der Heimatzunft Hüfingen. Und nun komme ich zu einer besonderen Eigenschaft von ihm: Er stand immer für Verlässlichkeit seiner Arbeit. Dabei war es ihm gleich ob es sich um einen Bundes- oder Landesverband oder um die Jugendgruppe auf der Alb, im Gäu, im Schwarzwald, im Hohenlohischen oder sonst wo handelte. Wenn er gebraucht wurde, war er da. So einfach kann das sein, scheinbar.
Wir hier vom Schwäbischen Albverein in Neckartailfingen haben davon ebenso profitiert. 1964, also zwei Jahre nach der Gründung der Jugend- und Volkstanzgruppe, hat Reinhold Fink, nur so Aushilfsweise, über viele Jahrzehnte die Gruppe geleitet. Für vieles, was wir heute noch tun und unternehmen hat er den Grundstein gelegt. So zum Beispiel zum Neckartailfinger Offenen Volkstanzen, das er vor 34 Jahren ins Leben rief oder - aktuell heute Abend zu sehen - zu der langjährigen Freundschaft zur schwedischen Gruppe aus Örkelljunga und zur Trachtengruppe der Heimatzunft Hüfingen. Seine Verbindungen zu Gruppen in Ost und West in Nord und Süd, im Inland und im Ausland haben uns hier in Neckartailfingen und vielen anderen auch geholfen.

Dafür möchten wir uns bei dir lieber Reinhold ganz besonders herzlich bedanken.

Viele Ehrungen hast du verdientermaßen schon erhalten. Ehrenzeichen in Silber und Gold von den Verbänden in denen du tätig warst und noch bist. Du hast die "Medaille für Verdienste um die Heimat Baden-Württemberg" erhalten und du bist Träger der "Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg für ehrenamtliche Tätigkeit". Wir hier vom Schwäbischen Albverein möchten dir heute als Dankeschön für die vielfältigen Verdienste um den Volkstanz in allen seinen Bereichen und im Namen aller Tänzerinnen und Tänzer, Musikerinnen und Musiker egal in welchen Organisationen sie beheimatet sind, zur Erinnerung die Kurt-Wager-Gedächtnismedaille überreichen."
2005

Gertrud "Gerti" Nagel (geb. 1938)

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Gerti Nagel prägte die Pflege des Volkstanzes im Schwäbischen Albverein. Die von ihr 1981 gegründete Volkstanzgruppe Gerstetten leitet sie noch heute, etliche weitere Tanzgruppen auf der Ostalb rief sie ins Leben. Sie kümmert sich um viele heimatpflegerische Anliegen und ist Gründungsmitglied des Kulturrats im Schwäbischen Albverein. Mit ihrer aktiven Art steckte sie als Referentin auch ungezählte Lehrgangs-Teilnehmer mit ihrer Begeisterung für den Volkstanz an.
2010

Jürgen Hohl (geb. 1944)

Jürgen Hohl wird gerne als der süddeutsche Trachten-Papst tituliert. Seine Faszination für vor allem barocke Trachten entwickelte er schon als Jugendlicher. Seine handwerklichen und ästhetischen Grundlagen schuf er sich in Ausbildungen als Modist in der mütterlichen Werkstatt, als Dekorateur, Frisör und Florist. In den 1970er-Jahren gründete er sein "Atelier für textiles Gestalten" und wirkt seither als freiberuflicher Textilrestaurator und Dekorateur, heute mit Sitz in Weingarten.

Besonders in Oberschwaben verhalf er mit seiner Arbeit und seiner Beratung unzähligen Trachten-, Fasnets- und nicht zuletzt Volkstanzgruppen zum passenden Häs. Seine Detailgenauigkeit, seine intensive Herangehensweise und sein in Fachartikeln und Lehrgängen vermitteltes Expertentum entfalteten jedoch weit über diese Region hinaus eine gewaltige Wirkung, sodass sich heute viele Trachtengruppen in ganz Baden-Württemberg auf ihn berufen. Einem großen Publikum wurde Jürgen Hohl als Co-Kommentator von Brauchtumsveranstaltungen im SWR-Fernsehen und durch seinen Auftritt in dem Dokumentarfilm "Die Blutritter" bekannt. Seine Sammlungen sind in mehreren Museen öffentlich zugänglich.

Manfred Stingel, Vorsitzender des Kulturrats im Schwäbischen Albverein, bemerkte in seiner Laudatio bei der Preisverleihung ¨ber Jürgen Hohl: "Man sieht seine Handschrift überall. Aber im positiven, eigenständigen Sinn. Ich denke, es gibt niemanden, der mehr über Trachten und Trachtenhauben weiß."
2013

Peter Stoll (geb. 1931)

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Ein Bild mit Symbolkraft: Im Rahmen eines Festaktes in Ulm, mit dem der Albverein das Jahr seines 125. Jubiläums eröffnete, erhielt Peter Stoll die Kurt-Wager-Medaille. Die Feier zum Hundertjährigen hatte 25 Jahre zuvor den Startschuss zu einer Stärkung der Kulturarbeit im Verein markiert, für die Stoll entscheidende Weichen gestellt hatte.

Allgemein gilt es als Stolls großer Verdienst, den Schwäbischen Albverein zu einem umfassenden Heimatverein ausgebaut zu haben. Dazu war die Kulturarbeit in seiner Amtszeit als Präsident (1991-2001) von Beginn an ein Schlüsselbereich, den er gegen manche Widerstände förderte. In seine Amtszeit fiel die Gründung des Volkstanzrates, des Vorläufers des heutigen Kulturrats. Gemeinsam mit Manfred Stingel gründete er das Schwäbische Kulturarchiv, das seinen Sitz im Haus der Volkskunst in Balingen-Dürrwangen hat.

Die Kulturpflege ist Peter Stoll eine Herzenssache: Der Tübinger Forstpräsident ist selber begeisterter Geigenspieler. Und so wandte sich Stingel bei der Preisverleihung an ihn: „Wir Volkstänzer und Kulturschaffende verehren Sie sehr und danken Ihnen ganz herzlich für Ihre Erkenntnis, dass die traditionelle Kultur wichtig für den Schwäbischen Albverein ist.“ Der Ehrenpräsident des Albvereins nahm die Auszeichnung überrascht entgegen und war darüber wie über die stehenden Ovationen im voll besetzten Saal des Ulmer Stadthauses sichtlich gerührt.
2015

Manfred Stingel

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Neue Ideen, Visionen, viel Optimismus und die Fähigkeit andere für seine Ziele zu begeistern zeichnet Manfred Stingel aus. Ihm war die Heimatverbundenheit mit gleichzeitiger Öffnung für andere Kulturen, die Geschichte und Kultur in Form von Tanz, Musik und Tracht immer ein wichtiges Anliegen. Wenn er von einer Idee begeistert war, hat er sie mit einer unumstößlichen Ausdauer auch gegen Widerstände verfolgt. Einige wichtige Eckpunkte dieser 50 Jahre: Internationale Jugendbegegnungen hat er seit 1974 in vielfältigster Form mit Menschen und Kulturen aus aller Welt bis heute durchgeführt. So wird die Kultur unseres Landes in alle Welt getragen und begeistert gleichzeitig Jugendliche für diese Arbeit. Der Umbau des ehemaligen Rathauses in Dürrwangen 1980 hat dazu geführt, dass sich Volkstanzgruppen aus dem ganzen Vereinsgebiet des Schwäbischen Albvereins hier treffen können und sich bei Lehrgängen gegenseitig kennenlernten. Die Geschichte des Tanzes 1986 hat vieler Orts das Bewusstsein für die Tanztradition geweckt. Das rauschende Fest beim 100 jährigen Jubiläum in Stuttgart 1988, die vielen großen Bändertänze auf dem Rathausplatz haben ein überragendes Gemeinschaftsgefühl hervorgerufen und führte zur Gründung des Kulturrates. 1992 gründete er das Schwäbische Kulturarchiv. Vieles wurde von Manfred angestoßen und umgesetzt. TJ Projekt, Lehrgänge, Kulturwochen, Dudelsacktreffen, Musikantenlehrgänge um nur einige zu nennen. Seit dem Erwerb des Jetterhauses ist das Kulturzentrum des Schwäbischen Albvereins vortrefflich aufgestellt. Manfred Stingel hat die Idee der Völkerverständigung mit Hilfe des Tanzes in die ganze Welt getragen.